Biosimilar-Barometer Schweiz: Auch bewährte Biosimilars werden nur zögerlich verschrieben, dies auf Kosten der Prämienzahler
Durch zurückhaltende Verschreibungen von Biosimilars werden jährlich über 100 Millionen Franken an Einsparungen verpasst. Die neue Auflage des Biosimilar-Barometers Schweiz legt den Fokus auf die Marktentwicklung der sechs grössten Moleküle und zeigt auf, dass auch bewährte, lange auf dem Markt verfügbare Biosimilars nur zögerlich verschrieben werden. Ihr Marktanteil stagniert einige Jahre nach Einführung bei rund 35%. Die dadurch verpassten Einsparungen gehen zu Lasten der Prämienzahler. Fehlanreize bei den Vertriebsmargen müssen dringend beseitigt werden, um diesen Missstand zu beheben.
Im April 2021 wurde der Biosimilar-Barometer Schweiz erstmals veröffentlicht. Er zeigt: Würde bei patentabgelaufenen Biologika konsequent nur noch das kostengünstigere, jedoch in der Wirksamkeit und Sicherheit gleichwertige Biosimilar abgegeben, könnten im Schweizer Gesundheitswesen jährlich rund 100 Millionen Franken eingespart werden.
Die aktuelle Auflage des Biosimilar-Barometer Schweiz rückt die Marktentwicklung der sechs grössten Biosimilars in den Fokus. Dabei wird deutlich, dass auch lange auf dem Markt verfügbare und entsprechend bewährte Biosimilars nur zögerlich verschrieben werden. So erreichen sie ein Jahr nach Markteinführung durchschnittlich einen Marktanteil von 12 %. Nach zwei Jahren liegt der Wert bei rund 27% Marktanteil bevor er in den folgenden Jahren bei rund 35% stagniert. So verharrt der Marktanteil des Wirkstoffs Infliximab, welcher zur Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, nach über 5 Jahren bei rund 30%.
«Wir beobachten, dass bei den sechs grössten im Schweizer Markt eingeführten Biosimilars die Marktpenetration bei rund 35% stagniert. Dies ist auch bei etablierten Biosimilars wie beispielsweise Infliximab der Fall. Eine weitgehende Umstellung wäre jedoch für den Prämienzahler wünschenswert», schliesst daraus Pius Zängerle, Direktor von curafutura.
Entlastung Gesundheitswesen und Prämienzahler durch Beseitigung der Fehlanreize
Fehlanreize wie das aktuelle Margensystem behindern eine breitere Anwendung von Biosimilars und die Realisierung namhafter Einsparungen. Im heutigen System verdienen Apotheker und Ärzte umso mehr, je höher der Preis des Medikaments ist. Darum haben diese Leistungserbringer einen direkten Anreiz, ein Originalpräparat anstelle eines kostengünstigeren Biosimilars oder Generikums abzugeben.
Damit die Stagnation überwunden, die Einsparungen realisiert und dadurch das Gesundheitswesen und die Prämienzahler entlastet werden können, müssen die Fehlanreize im System zeitnah beseitigt werden. Daniel Sarbach, Co-Leiter der Arbeitsgemeinschaft biosimilar.ch: «Wir fordern, dass das BAG sofort handelt und die Vertriebsmargen anreizneutral ausgestaltet.»
Ausserdem sieht Pius Zängerle Handlungsbedarf beim Substitutionsrecht, einem weiteren groben Missstand. «Heute können Apotheker nur das Produkt, das vom Arzt verschrieben worden ist, abgeben. Das heisst, wenn ein Originalpräparat auf dem Rezept steht, dürfen Apotheker den Patienten das kostengünstigere Biosimilar nicht von sich aus anbieten.»
Seit Jahren wachsen die Ausgaben für Medikamente in der Schweiz. 2020 betrug der Anstieg in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung rund 300 Millionen Franken, was einem Plus von 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Rund 75 Prozent dieses Kostenanstiegs ist auf Behandlungen von Krebs- und Autoimmunerkrankungen zurückzuführen. Biologika sind bei deren Behandlung von zentraler Bedeutung und finden eine breite Anwendung. Diese in der Herstellung komplexen und kostenintensiven Medikamente schlagen sich entsprechend auf die Kosten nieder. Gerade hier stellen kostengünstige Biosimilars seit 12 Jahren eine wichtige Möglichkeit zur Eindämmung des Kostenanstiegs dar.