Stopp dem Generika-Bashing – es schadet vor allem den Patientinnen und Patienten
Generika und Biosimilars, die als Garanten der Medikamenten-Grundversorgung Jahr für Jahr wichtige Sparbeiträge leisten, werden zu Unrecht wegen angeblich zu hoher Preise kritisiert.
Dr. Lucas Schalch
Geschäftsführer Intergenerika
Im NZZ-Artikel «Krankenkassen-Chef will die Kostenexplosion in den Griff bekommen» (20. 3. 24) wird ausführlich dargelegt, wie man mit einem umfassenden Massnahmenkatalog dem Kostenanstieg im Gesundheitswesen Herr werden will. In diesem Zusammenhang kam es einmal mehr zum Vorwurf der angeblich viel zu hohen Generika- und Biosimilars-Preise. Ein genauerer Blick auf die Medikamentenkosten zeigt jedoch ein anderes Bild.
Generika sind keine Kostentreiber
Kostentreiber bei den Medikamenten sind nicht die Generika oder Biosimilars. Im Gegenteil – auch im Jahr 2023 haben sie mit Einsparungen von 697 Millionen Franken erneut einen grossen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen geleistet. Dennoch wird etwa seitens Vertreter der Krankenkassen vorgeschlagen, den Kauf von Arzneimitteln im Ausland zu erlauben, sofern ein Arzt aus der Schweiz diese verschrieben hat. Dieser Vorschlag eines Parallelimports durch Patienten ist kritisch zu beurteilen.
Erstens hätte dies negative Auswirkungen auf die Versorgung des Landes, da Importeure noch weniger Anreize hätten, ihre Medikamente bei Swissmedic zu registrieren. Zweitens wären negative Auswirkungen auf die Patientensicherheit zu erwarten: Einkäufe im Ausland würden nicht im elektronischen Patientendossier (EPD) bzw. Medikationsplan erfasst, und niemand hätte den Überblick über die tatsächliche Medikation des Patienten. Auch hinsichtlich der fehlenden Chargenrückverfolgbarkeit könnte die Patientensicherheit nicht mehr sichergestellt werden.
Drittens würde das Territorialitätsprinzip umgangen: Dieses sichert den Patientenschutz, sorgt für eine qualitativ einwandfreie und wirksame Marktüberwachung, schafft Rechtssicherheit und stärkt den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz. Und viertens schliesslich würde der Einkaufstourismus weiter gefördert. Eigentlich möchte man doch derzeit politisch durch eine Senkung der Wertsteuergrenze den Einkaufstourismus im Ausland generell reduzieren.
Anstelle von Parallelimporten empfehlen wir, Möglichkeiten der bisherigen kontrollierten Bezüge aus dem Ausland (Import im Einzelfall und vereinfachte Registrierung von patentfreien Medikamenten) auf weitere Vereinfachungen zu prüfen. Nur so können die Patienten- und Versorgungssicherheit sowie ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden.
Patienten verlieren doppelt
Das EDI und das BAG planen per 1. Juli dieses Jahres zudem die Einführung eines neuen Vertriebsmargen-Modells bei Medikamenten, das zu Einsparungen im Gesundheitswesen führen soll. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, gibt ebenfalls Anlass zu grössten Befürchtungen: Dieses neue Modell sieht nämlich vor, dass sich alle Medikamente mit einem Fabrikabgabepreis unter 15 Franken zum Teil signifikant verteuern, um den Zwischenhandel besser abzugelten. Zugleich werden die teuren Medikamente, deren Kosten ohnehin von den Krankenkassen übernommen werden, etwas günstiger.
Es liegt auf der Hand, dass Generika- und Biosimilars-Anbieter aus Sicht des Volkes dann einmal mehr die «Bösen» sind und clever verhandelt haben. Dem ist aber nicht so: Die Pharmaindustrie verdient mit diesem neuen Vertriebsmargen-Modell keinen Rappen mehr. Es ist der Zwischenhandel, der betrachtet auf alle Medikamente weniger Marge abschöpft, bei den günstigen Medikamenten jedoch mehr verdient.
Die vermeintliche Sparübung ist eine Umverteilung mit gefährlichen Folgen. Die Patienten verlieren nämlich doppelt! Wenn mit dem neuen Vertriebsmargen-Modell der Preisdruck auf die Medikamente und unsinnigerweise auf die günstigen Medikamente zunimmt, verschärft sich die Versorgungsproblematik bei diesen Medikamenten markant. Zu nennen sind hier die häufig eingesetzten, bewährten Antibiotika und sehr viele bewährte Produkte der Grundversorgung, die genau in diese Preisklasse fallen. Sollte es in diesem Therapiegebiet zu einer weiteren Reduktion bei den Anbietern kommen, laufen wir gegen die Wand.
Um zu sparen, sollte der Einsatz von Generika und Biosimilars gefördert werden. Die Losung muss deshalb lauten: «Mit Generika sparen statt bei Generika sparen.»